Die im Rahmen des Projekts erstellten Altersübergangsreporte wurden auf der Homepage des IAQ (www.iaq.uni-due.de/auem-report) veröffentlicht und stehen dort zum Download zur Verfügung.
Aus den vielen differenzierten Einzelbefunden zum Altersübergangsgeschehen wird 2016 ein Buch von Dr. Martin Brussig, Dr. Sarah Mümken und Dr. Matthias Knuth unter dem Titel „Von der Frühverrentung bis zur Rente mit 67. Der Wandel des Altersübergangs von 1990 bis 2012“ im transcript Verlag erscheinen, in dem ein Gesamtüberblick über die Forschung zum Altersübergangsmonitor gegeben wird:
Alterserwerbsbeteiligung
Tatsächlich ist die Alterserwerbsbeteiligung gestiegen. Dieser Prozess setzte erst circa 2003 und dann verstärkt ab 2005 und damit gegenüber den ersten Arbeitsmarkt- und vor allem Rentenreformen etwas zeitverzögert ein. Bereits dies ist ein Indiz, dass nicht allein der Politikwandel ausschlaggebend gewesen ist. Zwei wichtige unterstützende Faktoren für den Anstieg der Alterserwerbsbeteiligung waren zum einen der Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit, der ja nicht unmittelbar zu längeren Erwerbsphasen der Erwerbstätigen führt, obwohl die Alterserwerbsbeteiligung steigt. Zum anderen ist auf die besondere demografische Situation der ungleichen Besetzung von Geburtskohorten in Verbindung mit der altersbedingt sinkenden Erwerbsbeteiligung zu verweisen, die dazu führte, dass die Alterserwerbsbeteiligung stieg, weil jüngere Kohorten mit einer hohen Erwerbsbeteiligung vorübergehend ein größeres Gewicht erhielten. In der Hauptsache war es aber die Verlängerung des Erwerbslebens, die den Anstieg der Alterserwerbsbeteiligung ausgelöst hat. Innerhalb weniger Jahre beziehungsweise Geburtskohorten ist das durchschnittliche Erwerbsaustrittsalter um ein Jahr gestiegen, was angesichts des Spektrums, in dem sich die Altersübergänge aufgrund von Verrentung vollziehen – zwischen 60 und 65 Jahren – durchaus beträchtlich ist.
Der Anstieg der Alterserwerbsbeteiligung und die Verlängerung der Erwerbsphasen vollzogen sich praktisch flächendeckend sowohl bei Männern als auch Frauen, in allen Qualifikationsgruppen, in Ost und West, in allen Wirtschaftszweigen und in nahezu allen Berufen. Gleichzeitig blieben bestehende Unterschiede in der Alterserwerbsbeteiligung weitgehend erhalten. Es waren sehr viele Beschäftigte, aber bei Weitem nicht alle, in der Lage, mit der Anhebung der Altersgrenzen Schritt zu halten und ihren Erwerbsaustritt entsprechend hinauszuschieben. Und wiederum nicht in allen, aber zweifellos in vielen Fällen erfolgte der Ausstieg aus dem Beruf nicht freiwillig, sondern wurde durch Arbeitslosigkeit oder nachlassende Leistungsfähigkeit erzwungen, vielfach sicher auch nolens volens durch noch bestehende Frühverrentungsmöglichkeiten wahrgenommen.
Personalstrategien
Es gehört zu den stabilen Befunden der vorgelegten Analysen, dass sich die betrieblichen Personalstrategien geändert haben, aber gewissermaßen auf halbem Weg stehen geblieben sind. Betriebliche Vorruhestandsprogramme wurden deutlich eingedämmt. Sie konnten insbesondere in den Jahren nach circa 2003 nicht mehr so gut an rentenrechtliche und arbeitsmarktpolitische Regelungen der Frühausgliederung anknüpfen. Betriebliche Vorruhestandsprogramme wurden für die Betriebe teurer.
Eine klare Zuordnung der Kosten an die Verursacher und Nutzer des betrieblichen Vorruhestands war auch das erklärte Ziel des Gesetzgebers bei der Neugestaltung der Altersteilzeit. Die Altersteilzeit hat sich bis zu ihrem Auslaufen ab dem Jahr 2009 für Neuzugänge zu einem bei Betrieben und Beschäftigten gleichermaßen populären Modell entwickelt, weil sie den faktischen Erwerbsausstieg aus dem betrieblichen Alltag mit relativ geringen Verlusten, insbesondere für die Alterssicherung, aber auch das Erwerbseinkommen ermöglichte. Zwar konnten die Betriebe die für sie relativ hohen Kosten unter bestimmten Bedingungen von der Bundesagentur für Arbeit erstattet bekommen, doch machten sie davon nur in etwa 40 Prozent der Fälle Gebrauch.
Das Modell der Altersteilzeit ist oft wegen des faktischen Vorruhestandes kritisiert worden, aber die hier vorgelegten Analysen zeigen, dass wegen der steigenden Altersgrenzen in der Rentenversicherung auch der Eintritt in die Altersteilzeit und folglich der Austritt aus dem Arbeitsleben auf höhere Lebensjahre verschoben wurde. Altersteilzeit hat es für die Beschäftigten erleichtert, die Anhebung der Altersgrenzen in der Rentenversicherung zu bewältigen. Kritischer an der Altersteilzeit ist deren soziale Schieflage: Genutzt werden konnte sie besonders stark in tariflich gut abgesicherten Großbetrieben Westdeutschlands und damit nicht notwendigerweise in Beschäftigungsbereichen mit besonders hohen Arbeitsbelastungen.
Arbeitsmarktpolitik
Auch die Arbeitsmarktpolitik gegenüber älteren Arbeitslosen zerfiel in mehrere Phasen und teilweise gegensätzliche Entwicklungen. Aufgrund von Arbeitslosigkeit vorzeitig eine Altersrente zu beziehen – eine Regelung, die die Arbeitslosigkeit der Älteren erhöhte, statt sie zum Verschwinden zu bringen –, wurde beginnend ab 1997 erschwert, indem zunächst Abschläge die Rente verringert, später dann das frühestmögliche Zugangsalter angehoben und schließlich die Rente wegen Arbeitslosigkeit insgesamt geschlossen wurde. Dies und die deutliche Kürzung der maximalen Bezugsdauer von Arbeitslosengeld (ab 2006) waren einschneidende Maßnahmen, um vorruhestandsförmige Arbeitslosigkeit zu begrenzen.
Rentenpolitik
Veränderungen beim Rentenzugang sind sehr stark durch das Rentenrecht geprägt. Die Möglichkeit, eine Altersrente ab 60 Jahren zu beziehen, schlug sich in den 1990er-Jahren ebenso nieder wie die später erfolgte allmähliche Heraufsetzung des frühestmöglichen Rentenzugangsalters und die Schließung von mehreren vorzeitig beziehbaren Altersrenten – also das Auslaufen dieser Rentenarten – für Personen der Jahrgänge 1952 und jünger. Diese Reformen der Altersgrenzen nahmen in einem kürzeren Zeitraum größere Anhebungen vor – der abschlagsfreie Rentenzugang wurde zwischen 1997 und 2007 um fünf Jahre erhöht – als die Anhebung der Regelaltersgrenze um zwei Jahre zwischen 2012 und 2031.
Unterschiedliche zeitliche Rahmenbedingungen bei der Anhebung der Altersgrenzen in einigen Rentenarten haben zu Ausweichreaktionen geführt, indem bevorzugt frühe Rentenzugänge genutzt wurden. Abschläge haben bewirkt, dass frühe Renteneintritte nicht mehr einseitig zulasten der Versichertengemeinschaft gehen, doch die Jahre nach 2000 haben für ein anhaltend hohes Interesse an frühen Rentenzugängen auch bei hohen Abschlägen gesorgt.
Die Motive für einen frühen Rentenzugang können im Wesentlichen nach dem Grad der Freiwilligkeit geordnet werden. Auf der einen Seite stehen die unfreiwilligen Rentenzugänge von Personen, die zumeist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können oder denen der Schritt aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit nicht mehr gelingt. Diesen stehen auf der anderen Seite die freiwilligen Rentenzugänge von Personen gegenüber, deren Niveau der Alterssicherung den Ausstieg aus dem Beruf erlaubt.
Beide Konstellationen lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. Doch die Erfahrung der beiden Jahrzehnte zeigt, dass allgemein zugängliche, nur an Vorversicherungszeiten gebundene Frühverrentungsmöglichkeiten einerseits immer auch von Personen genutzt werden, die nicht mehr arbeiten können (und deshalb auch um den Preis sehr hoher Abschläge vorzeitig in Rente gehen), und andererseits immer auch von Personen, die nicht mehr arbeiten wollen, obwohl sie es sehr wahrscheinlich noch könnten. In dieser zuletzt genannten Gruppe liegt ein nennenswertes und sehr erfahrenes Potenzial an qualifizierten Beschäftigten.